Tonne 17

61. – 63. Tag: Manche mögen’s knapp

Da wir den Artikel aus Sardinien heraus schreiben, stimmt das nachfolgende “wirklich” wirklich. 

Die (wirklich) letzten Tage in San Vito

Nun geht es nochmals in die Verlängerung: Jakob macht ebenfalls noch in den kommenden Tagen seinen PADI-Tauchschein, und Lasse wird den einen oder anderen geführten Tauchgang als “fertiger aber unerfahrener” Taucher absolvieren. Die Unterwasserwelt ist rappelvoll mit allen nur erdenklichen Kreaturen – so viel wissen wir nun, nach Jahren, in denen wir glaubten, das Mittelmeer hier in der Gegend sei wahnsinnig klar und schön, aber leer. Unsere Söhne berichten von Massen an schlau-neugierig-zutraulichen Oktopussen (sind hiermit vom Speisezettel gestrichen!), bissigen Muränen in allen Größen, haufenweise krabbelnden Seesternen, Korallenwiesen, und bunten Fischen jeder Größe, dass es fast schon wieder langweilig wird. Und: Erst mit LICHT erschließt sich einem offenbar die (verschwenderisch sinnlose?) Farbenpracht da unten – das Wasser filtert bis auf “blau” so ziemlich alle Wellenlängen heraus, bevor es in 15m oder tiefer auf die eigentlichen Meeresbewohner trifft. Die deswegen, nur von oben schnorchelnd betrachtet, immer alle so mausgrau erscheinen… In der Region gibt es zahllose tauchbare Karsthöhlen, und der Nationalpark Zingaro sogt für eine recht intakte Fauna im Meer. 

Und wir Überwassergebliebenen merken, dass wir eigentlich erst jetzt, nach rund einem Drittel der Reise, allmählich wirklich in der Reise ankommen. Der Übergang von “Urlaub” nach “Reise” ist kein leichter, schon gar nicht in reinen “Urlaubs”gegenden. Nun, wo alles leerer wird, und vermehrt nur Individualreisende übrig bleiben, überall eine angenehme entspannte Unaufgeregtheit einkehrt, das Licht so unfassbar an Farbintensität gewinnt, und die Abende erholsame Kühle bieten, wird es deutlicher, dass wir auf dem Schiff leben und “raus” sind. 

I Aber ach

Das Mittelmeer ist im Frühherbst unserer eigenen Erfahrung nach zunehmend seglerisch kein reiner Spaß. Die vermehrt vom Atlantik hereingeführten kühleren Luftmassen treffen auf ein immer noch sehr warmes Wasser (28-29 Grad !), und schwupps geht die Post ab. Alle Nase lag bilden sich nun kleine bissige (in sehr flache Druckgradienten eingebettete und deswegen nach Aktenlage unscheinbare!) Tiefs, und wirbeln auf 200-300 Meilen Radius begrenzt im Luftmassenbrei herum. Die Folge ist, dass es nun endlich viel bis sehr viel Wind gibt, dieser dann aber gerne binnen 36 Stunden einmal aus wirklich fast allen Himmelsrichtungen einfällt (mit der Folge skurriler und echt äußerst unangenehmer steiler Kreuzseen), dass Gewitterfronten fast zum Alltag gehören, und die Streckenplanung sowie Ankerbuchtfindung ein Puzzlespiel ist. Diese Wetterstörungen sind dann eingebettet in die immer noch ausgeprägten weiträumigen Flauten. Dazu meldet sich der Mistral immer nachdrücklicher zu Wort und blockiert tagelang das halbe Gebiet mit unsegelbaren Bedingungen. Es gib in den diversen Seglerforen endlose Kommentare in die Richtung “Ich war ja echt schon auf allen Ozeanen unterwegs, aber NIE NIE wieder Westliches Mittelmeer – entweder gar kein Wind oder viel zu viel, was ein Scheiss”. Wir können uns dem unter Segel-Aspekten durchaus ein wenig anschließen – uns fehlt halt der Vergleich, um endgültig loszumeckern. Leider sind die Gestade dieses Reviers aber einfach zu schön. Und: Das angeblich deutlich berechenbarere östliche Mittelmeer mit Griechenlands Inselwelt und der Türkei ist für unseren Schwur, dass wir für unser Hobby keinesfalls regelmäßig auf das Flugzeug angewiesen sein wollen, als Heimatrevier einfach unerreichbar. Ein Jahr voller Flüge zwischendurch hat uns ein schlechtes Gewissen für den Rest unseres Lebens eingepflanzt. Das muss nicht. Auch wenn natürlich einmalige Aktionen wie die Rückkehr aus der Karibik nicht anders zu lösen sind. 

II Corona

Aktuell laufen ständig zwei Filme in unseren Köpfen ab – zum einen die Weiterreise, mit all ihren noch zu lösenden organisatorischen Herausforderungen, zum anderen das gar nicht so unwahrscheinliche Szenario eines Abbruchs der Mission wegen der aktuellen Pandemie-Entwicklung. Die “leider” noch immer völlig unklar bleibt. Das Schiff ist ja dann nicht plötzlich weg und passt auch nicht ins Handgepäck. Da muss dann was “organisiert” werden. Außerdem gilt es auch im Falle einer Weiterreise zunehmend bürokratische Hürden zu berücksichtigen – schon jetzt ist das je nach Hafen und Insel ein ordentlicher Extra-Formular-Aufwand. Der Drucker an Bord ist mittlerweile ein wichtiger Ausrüstungsgegenstand. Spätestens in Portugal müssen wir uns dann in Selbstisolation begeben, resp. uns sofort testen lassen, da wir höchstwahrscheinlich nicht “nonstop” an Spanien vorbeikommen werden. Und schon bei einem reinen Ankerstop in spanischen Gewässern freue ich mich auf die Diskussionen mit zunehmend nervösen portugiesischen Behörden…

I + II Kombiniert

Wir müssen allmählich wirklich weiter. Trotz vollkommen unklarer Corona-Lage – sonst katapultieren wir uns einfach durch “zu spät in Las Palmas” raus. Das ist eine doofe Situation, aber immer noch ein Luxusproblem, wie uns bewusst ist. Aktuell haben wir einen letzten Entscheidungspunkt in Lagos, Südportugal, wo wir nach Plan um den 2.10. herum ankommen werden – da könnte man eine Yacht sicher zurücklassen und weiß sie professionell betreut über den Winter. Bis dahin oder früher muss Klarheit bestehen oder durch Setzung herbeigezwungen werden.