Tonne 17

64. + 65. Tag (165sm) sowie 66. + 67. Tag (0 sm): Sardinien!

Überfahrt von Sizilien nach Sardinien

64. + 65. Tag Thyrrenisches Meer

Leider bleibt es uns -als “Preis” für Jakobs Tauchschein- nicht erspart, die Etappe nach Sardinien unter Maschine in Angriff zu nehmen – es gibt leicht achterliche Winde, aber: Die sind so leicht, dass wir unter ihrer Ausnutzung keine 3 Knoten Fahrt machen würden. EIGENTLICH hatten wir uns geschworen, dass das dann eben so ist. Jedoch – in den kommenden 3-4 Tagen wird ein kleines Tiefdrucksystem von den Balearen nach Sizilien wandern, seeeeeehr gemächlich, und dabei wie ein Wirbelsturm die ganze Zeit Luftmassen gegen den Uhrzeigersinn um sich herumwirbeln. Keine Sturmstärke, maximal 15-20 Knoten im Mittel. Doof ist nur, dass sich immer dort, wo die “Kaltluft” gerade auf die “Warmluft” trifft, eine massive Gewitterfront bildet. Dann dreht sich diese Gewitterfont unbeirrt im Kreis herum, und taumelt dabei mit ihrem Zentrum ostwärts. Ich habe den Ehrgeiz, VOR dem ersten Einfall der Front in Villasimius im Hafen zu liegen.

Das schaffen wir dann auch – mit zwei Stunden Toleranz. Die ersten Schauerzellen sehen wir bereits auf dem Radar knapp hinter unserem Heck durchziehen. Moderne Wetterberichte machen den Segelsport vielleicht nicht mehr so archaisch-abenteuerlich-schön, aber viel planbarer. Puristen finden das bestimmt doof 🙂 Die letzten sechs Stunden der Überfahrt führten bereits durch ein völlig brabbeliges, massiv aufgewühltes Meer, in dem starker Seegang aus zwei Richtungen plus die Dünung eines Starkwindfeldes vor Tunesien sich zu etwas addierten, das selbst einen 50-Fuß-Katamaran “hüpfen” lässt. Aber immerhin wurde der Wind in der Nacht segelbar. 

In der Marina, noch in der “Anlegerbierphase”, bricht die Gewitterfront über uns herein, und beschert uns eine ganze Weile lang Wind in Sturmstärke – 40 Knoten hinter dem Marina-Breakwater! Regen in Strömen, und Blitze wie in Berlin an Silvester.  Diese Gewitterfront wird in den kommenden Tagen noch das eine oder andere Mal bei uns vorbeischauen, immer aus einer anderen Richtung. 

Von der nächsten mehrtägigen Überfahrt gibt es dann mal ein Video – denn eigentlich ist da nicht viel zu zeigen. Wachen in Schichten rund um die Uhr, versetzte Schlafzeiten, Routinejobs und hin und wieder ein Aufreger. Ansonsten: Lesen, Dösen, dem Track beim Wachsen zugucken, …

 

66. + 67. Tag – Villasimius

Bereits im letzten Jahr lagen wir einige Tage hier – in den Ankerbuchten des Kaps, und ein paar stürmische Tage in der Marina. Die exponierte Lage führt zu allerhand ernsthaften Starkwindsituationen, jedoch ist eigentlich nahezu jederzeit ein Ablaufen in geschützter Richtung möglich – entweder die Ostküste hoch, oder rüber in Richtung Bucht von Cagliari. Im Winter wird es hier windtechnisch nicht viel weniger ungemütlich als auf der Nordsee, rein statistisch. Nur halt wärmer. Der Hafen ist jedoch eine echte Trutzburg, außer den Windstärken selbst hat man nichts zu befürchten – Schwell auslösender Seegang ist gemeinhin das Hauptproblem bei der Suche nach sicheren Bleiben für ein unbetreutes Schiff.

Auch wir könnten hier über Winter bleiben, sollte die ARC-Teilnahme an Corona scheitern. Ist geklärt und vorgemerkt. Ein Stegnachbar aus Polen hat hier seit mehreren Wintern seinen schönen Kat und ein großes RIB liegen und hat uns seine Hilfe angeboten, sowie ein wechselseitiges “Auge drauf haben”. 

Direkt neben uns macht eine andere, jüngere Privilège mit etwa gleicher Rumpflänge fest. Darauf ein italienisches Paar mit kleinen Kindern. So viele Katamarane dieser Werft gibt es nicht – das ist schon selten. 

Jetzt, im September, mit der Gewitterwaschmaschine, die alle naselang drübergeht, sind die Farben hier einfach umwerfend. Waren sie schon in Sizilien – hier steigert sich das nochmals. 

Uns gefiel es hier sogar in der furchtbar heißen Hochsaison 2019 sehr – viel weniger überlaufen als der gehypte Norden Sardiniens, und dennoch sardinientypische, karibische Wasserqualität, sowie hohe Ansprüche an die Gestaltung der Küste. Absolut keine italienische Region, die wir kennen, und das sind mittlerweile doch etliche, hat es annähernd so gut gemeistert, nicht dem völlig irren, zügellosen, maximal häßlichen, rauschhaften Beton-Wahn zu verfallen, der sich vor allem in den drei Jahrzehnten des letzten Jahrhunderts an das vormals substantiellere Wirtschaftswachstum der Nachkriegszeit anschloss. Es ist, als ob mit dem Einsetzen und Anschwellen der mannigfaltigen Probleme Italiens als Staat in den 60ern / 70ern BETON das zentrale Surrogat  für alles Sinnvollere wurde. Und das Suchtpotential war wohl nicht selten das massive Mitverdienen sehr vieler ehrenwerter Gesellen und ihrer noch ehrenwerteren ach so unschuldigen Mithelfer “pro Kubikmeter verbauter Masse”. Die schieren Zahlen zur Flächenversiegelung, z.B. in der Poebene, sind atemberaubend. Da kann kein anderes Land Europas auch nur annähernd mithalten. Ohne dass man den Eindruck hätte, irgendetwas davon sei vonnöten: Wo das Auge hinsieht, verheertes “erschlossenes” und wieder zu Ruinen verfallenes Land. Normalerweise ist die Festlandküste und Sizilien nur dort noch schön, wo es erschließungstechnisch halt selbst bei bestem Willen zu aufwändig wäre, diese Schönheit zu zerstören. Zum Glück ist das an sehr vielen Stellen der Fall… 

Morgen geht es weiter in Richtung Carloforte, quasi dem südwestlichsten Außenposten Italiens.