Tonne 17

68. – 73. Tag: Weiter nach Westen (74 sm). Ein bisschen.

 

Carloforte: Am südwestlichsten Punkt Sardiniens

Letztes Jahr in den Sommerferien segelten wir, ermüdet und entnervt vom Massentourismus auf Mallorca, zurück nach Sardinien und entdeckten auf der kleinen, südlich vorgelagerten Insel San Pietro den Ort Carloforte. Carloforte ist nicht groß, sehr ursprünglich, kein “Männchen-machen-für-Touristen”, und dennoch merkt man: hier leben Menschen, die es gerne schön um sich haben.  Carloforte lässt, wie letztes Jahr auch schon, ein wohliges Gefühl entstehen. Die unaufgeregte, aber zum Schlendern einladende Hafenpromenade, der große zentrale Platz mit seinen zwei kunstbewehrten Gummibäumen, auf dem man sich trifft, und die schönen verwinkelten Straßen mit kleinen Läden, um unnützes Schönes oder nützliches Alltägliches einzukaufen. Alles ist hier ein wenig rauer, sehr maritim, man merkt, dass dieser Ort und diese Insel sich zu 270 von 360 Grad zum Meer hin orientieren. Viele Segler, die hier einlaufen, haben eher längere Schläge hinter sich: Von Spanien, Tunesien oder Sizilien kommend oder diese Ziele ansteuernd. Nur wenige reine Spaß- und Badecrews, dafür viele Eignerboote und Menschen auf Langfahrt.

Hinzu kommt, dass wir sind ZURÜCKgekehrt sind. Für mich ist es immer ein schönes Gefühl, ein zweites Mal an einen Ort zu kommen. Ein zweites Mal erste Eindrücke bestätigt zu finden und zu festigen – und sich fast schon ein bisschen heimisch zu fühlen. Wieder Brötchen in der netten Bäckerei kaufen, im morgendlichem Treiben in der Bar Napoleone direkt am Fähranleger einen Kaffee trinken, und abends bei Da Nicolo wieder lecker und stilvoll essen.  

 

Mit einem Ankerstopp in einer uns auch bereits bekannten Bucht sind wir am Montag hier angekommen. Zum Glück hatte Tilmann die Belege der Marina Villasimius parat, und konnte damit nach einigem Email-Pingpong einen Coronatest (der seit Montag auf ganz Sardinien bei der Einreise verpflichtend ist) für die ganze Familie abwenden. Die Marina Sifredi ist jede positive Erwähnung wert – viel Einsatz, Service, schöne Lage. Lediglich der äußerste Schwimmsteg hält im Fall von stärkerem ESE-Wind dynamische Überraschungen bereit… Dieses Mal allerdings liegen wir ganz feudal direkt an der Hafenpromenade.

 

Die Coronainfektionen steigen, nun auch in Italien; immer mehr Gebiete sind auf der Reisekarte rot markiert, und das auswärtige Amt spricht weitere Warnungen aus.

Carloforte ist für uns zwangsläufig ein Meilenstein: Jetzt muss eine Entscheidung her – geht es weiter Richtung Westen oder klingelt jetzt doch die Alarmglocke, und weckt uns jäh aus unserem Traum auf?

 

 

 

Noch flattert sie, die Fahne der ARC, unter unserer Backbordsaling. Die Teilnehmerliste schrumpft seit einigen Tagen dramatisch – aus mehr als 250 Crews im Juni wurden nun durch Stornos knapp mehr als 70. Zu einigen Mitstreitern haben wir via Email Kontakt aufgenommen, einer schreibt sehr nett zurück und nennt kenntnisreich Gründe für seine eigene Absage (obwohl er sich bereits auf den Kanaren befindet), die wir bis dahin noch nicht einmal bedacht hatten. Und in Carloforte haben unsere Stegnachbarn (mit einiger Atlantikerfahrung im Kielwasser) ihre ARC–Flagge schon längst eingeholt, und versorgen uns mit weiteren Informationen, die uns nicht eben beglücken.

Noch haben wir einige Tage Zeit, uns die große Frage zu beantworten: Fahren wir weiter in die Karibik, oder nicht?