Tonne 17

Antibes

Überfahrt – Landleben auf Zeit (I)

6.7. ff /  13. – 16. Tag: Die korsische Westküste im Abendlicht, Côte d’Azur recht voraus

Dienstag gehen wir am Morgen gegen 7:15 fast pünktlich ankerauf. Natürlich haben wir wieder einmal ein neues Wachsystem, das wir in der Nacht austesten möchten. Wir sind jetzt ja auch nur noch zu viert. In einer Nacht kann man leider gar nichts wirklich testen, aber dennoch: Wir haben zwei Zweiergruppen gebildet, die jeweils von 23-3 und von 3-9 Uhr Wache haben. Innerhalb der Gruppe gilt die Regel, dass zwischen 23-3 sowie 23-7 Uhr sich immer beide im Cockpit aufhalten müssen – wer dabei wann wieviel und in welcher Reihenfolge schläft, ist in der Gruppe zu klären. Auf diese Weise können beide Gruppen eine halbe Nacht vollkommen ungestört mitnehmen, und ist sichergestellt, dass in den Wachen niemand “wirklich alleine ist” – für den Fall der Fälle. Schlafgelegenheiten für das Powernapping gibt es im Cockpit zahlreiche. 

Kanal 16 wird in den frühen Abendstunden für Fußball-Übertragung mißbraucht, und als Italien als Sieger feststeht, gibt es kein Halten mehr. Außerdem ist in den Gewässern zwischen Sardinien, Korsika und der Cote d’Azur die Hölle los, die AIS-Ziele auf der Radar-Ansicht nehmen sich aus wie ein Mikado-Spiel und der Funk schweigt nie länger als 5 Minuten – sehr viel unterhaltsamer als in süditalienischen Gewässern, auf denen man regelrecht vereinsamt. 

Mittwoch treffen wir auf 30′ genau wie geplant um 12:30 in Antibes im Port Vauban ein. Dieser Hafen… ist RIESIG, einer der größten des gesamten Mittelmeeres. In ihm liegen endlos viele große Luxusyachten, und noch viel mehr kleine, charmant verwitterte Segelyachten. Man merkt sofort, dass Franzosen 1. leidenschaftliche Segler sind, und 2. ihre Boote tatsächlich lieben und nutzen. Auf den ersten Blick wirken massig Yachten leicht …”used”… es sind aber einfach keine Billig-Neubauyachten im Charterbetrieb oder zum schnellen Rennomieren, sondern jeweils perfekt und über Jahre hinweg auf ihre Eigner zugeschnittene Systeme. Eigner, die -da es sich hier eher um einen Volkssport handelt- kein Kleingeld in die Hand nehmen, das sie vielleicht nicht haben, um ihre Schiffe auch noch “uffjehübscht” dastehen zu lassen. Im Gegensatz zu der traurigen Stille in vielen italienischen Yachthäfen, und der dortigen Dominanz von Charterflotten, gibt es hier großes Hallo und fröhliches Leben an Bord der Yachten – alles bereitet sich spürbar auf den Sommer vor. Die Liegegebühren sind verglichen mit den Preisen in Italien ein Witz – knappe 100 EUR pro Tag für einen Kat unserer Größe. Das gibt mir Rätsel auf – immer noch Corona? Der Hafen ist gut gefüllt, ich kann nicht viele freie Plätze ausmachen. Wenn man hier hingegen das ganze Jahr liegen möchte, das wurde mir auf meine Nachfrage angeboten (mache ich immer gerne), steigt der Preis in Höhen, in denen der Sauerstoff allemal knapp wird, und der auch weit jenseits von  “365  * Tagespreis Hochsaison” liegt. Also DIESE Mathematik verstehe jemand. 

Donnerstag erlaufen wir uns Antibes, das wir am Vortag nur noch flüchtig und vor allem zur Nahrungsaufname am Abend erkundet hatten. Eine wirklich sehens- und aufenthalts-werte “down to earth”-Variante einer Stadt an der sonst gaaaanz leicht abgehobenen Core d’Azur. Der Hafen grenzt direkt an die Altstadt, die Wege in ihm sind allerdings beachtlich. Unser Faltrad kommt zum Einsatz, und ab morgen ein Mietwagen. Das Picasso-Museum fällt uns zum Opfer – toll. Die Ausläufer eines Mistrals lassen uns die etwas unbefriedigende Mooring-Situation nachbessern. Und ENDLICH, ENDLICH kennen wir die Patentlösung all unserer Decks-Wasch-Probleme: Einfach Wasser und Schrubber. Und: verdünnte Oxalsäure, ca. 1,5%. Ein Eimer davon auf Deck mit dem Schrubber verteilen, und feddich. Umwelttechnisch astrein, es ist das gleiche Zeug wie im Rhabarber und wie es die Imker verwenden – und verdünnt im Hafenbecken vollkommen unbedenklich. Härtere Rostflecken und sonstiges Gilbungen – Salzsäure. Auch vollkommen harmlos, ist in jedem Fischmagen und ohnehin hochverdünnt. Keine Tenside, Shampoos, nix. Das Schlimmste ist noch der Schwarzstreifenentferner, was in dem Teufelszeug drin ist will man gar nicht wissen, aber das gelangt nicht ins Wasser.  Und Neverdull, der Chrompolitur-Klassiker ist wahrscheinlich auch eher böse. Aber unterm Strich haben wir nun eine Lösung mit einer vergleichsweise sensationellen Ökobilanz, und es kostet fast nüscht. WARUM ERZÄHLT DAS EINEM KEINER ??? Warum muss das erst selbst herausfinden? 

Freitag wird der Mietwagen abgeholt, genauso wie der Bahnhof ist auch SIXT vom Hafen nur ein Steinwurf entfernt. Dann geht es nach Vence und St. Paul-de-Vence, zur Stiftung Maeght (Die Familie Giacometti in Gänze, viel Miro, …) und einer von Matisse gestalteten Kapelle. Was soll man sagen? Ein toller Ausflug mit nettem Rahmenprogramm. In den kommenden Tagen geht es weiter mit dem Landrattendasein, bis am 17.7. Freunde eintreffen und wir wieder in See stechen.  Auf den 14.7. in Antibes freuen wir uns bereits jetzt – hoffentlich macht Corona uns hier keinen Strich durch die Rechnung.